Ursula Geisler

„… was an Musik des Nordens nur nordisch maskiert ist“. Konstruktion und Rezeption „nordischer Musik“ im deutschsprachigen Musikdiskurs.

 

Einleitung

 

In diesem Aufsatz geht es nicht darum, unterschiedliche Konzeptionen „nordischer“ Musik als solche zu bestätigen oder abzulehnen oder den Versuch zu unternehmen, eine eigenständige Definition für „nordische“ Musik zu etablieren. Am Beispiel des deutschsprachigen Diskurses über „nordische“ Musik in der Zeit des Nationalsozialismus sollen vielmehr wissenschaftssprachliche Zuschreibungen vermeintlich „nationaler“ Musiken problematisiert werden. Das Interesse an der Thematik ergab sich unter anderem aus der wissenschaftlichen Marginalisierung musikterminologischer Fragestellungen sowie aus dem Vorhandensein etlicher bisher unrezipierter Originalquellen in Form von Zeitungsartikeln, Zeitschriftenbeiträgen, wissenschaftlichen Vorträgen, Examensarbeiten und Radiosendungen, die sich in den 1930er und 1940er Jahren mit „nordischer“ Musik befaßten. Die auffallende Diskrepanz zwischen der deutschsprachigen Konstruktion „nordischer“ Musik und der in den nordeuropäischen Ländern verwendeten Begrifflichkeit von „nordisk musik“ gab einen weiteren Anlaß, sich mit der Konstruktion und Rezeption „nordischer“ Musik auseinanderzusetzen. Diese Bruchstelle der landessprachlichen Selbstverständlichkeiten markiert gleichzeitig die Schwierigkeiten eines komparativ-diskursiven Ansatzes. Bei Anwendung der jüngsten diskursanalytischen Thesen zur Intertextualität, die davon ausgehen, daß „Diskurs … immer historisch ist, also synchron und diachron mit anderen Kommunikationen, die gerade stattfinden bzw. früher stattgefunden haben, verbunden ist“[1], stellen länderübergreifende Diskurse in unterschiedlichen Landessprachen eine besondere Herausforderung dar. Dies gilt ebenso für die Diskurseigenschaft „Rekontextualisierung“, die „das sich Beziehen auf und die Neuformulierung von Argumenten und Topoi in unterschiedlichen Kontexten“[2] umfaßt. Hier kann „nordisch“ einerseits für das „Fremde“, „Exotische“, „sich Einzuverleibende“ stehen, wie „nordisk“ anderseits für das „Eigene“, „Vertraute“, zu „Verteidigende“ bzw. „Selbstverständliche“ steht. Beide Diskurse sind über den Terminus miteinander verbunden, auch wenn sie in unterschiedlichen Zusammenhängen stehen und für verschiedene Zwecke funktionalisiert werden können.

Eine viel benutzte Möglichkeit sprachlicher Annäherung an Musik bildet die Metapher und die Rückbindung musikimmanenter Faktoren an außermusikalische Phänomene. Noch im Programm für die „Nordischen Musiktage“ 2002 wird diese Verbindung deutlich:

 

Wir wollen uns Ihnen durch unsere Musik vorstellen. Möglicherweise wird sich ihr Bild von Skandinavien ändern, wenn Sie unsere Veranstaltungen besuchen. Unsere Musik ist ein wichtiges Ausdrucksmittel des nordischen Lebensgefühls, denn sie ist von einem natürlichen, modernen, städtischen und individualistischen Geist geprägt. Das Ergebnis: ein breites Spektrum künstlerischer Tätigkeiten mit einem hochexplosiven Kern.[3]

 

Wie aber konstituiert sich das hier hervorgehobene „nordische Lebensgefühl“? Aus dem Kontext gegriffen erwachen für „deutsche“ Ohren möglicherweise Anklänge an eine ganz und gar nicht freundliche und unschuldige Zeit. Diese sind im Kontext der Werbung für eine Musikveranstaltung im Jahre 2002 wohl jedoch weder erwünscht noch mitbedacht worden. Im Gegenteil, so soll das hier benutzte „nordisch“ die Schlagworte „natürlich“, „modern“, „städtisch“ und „individualistisch“ umfassen, Begriffe also, die eine möglichst positive Rezeption unterstützen. Der diskursive Rückgriff auf Konnotationen der Vergangenheit sind andererseits ebenfalls an den Terminus geknüpft, sowie verstärkt an ein Vorwissen darüber, wie dieser in der Vergangenheit definiert war bzw. interpretiert werden konnte, also in welchen Kontexten er funktionalisiert wurde.

 

Einfluß des abendländischen Musikdiskurses

 

Die folgenden Ausführungen sollen dazu dienen, den musikwissenschaftlichen Diskurs über „nordische Musik“ während des deutschen Nationalsozialismus sichtbar zu machen; nicht in Form einer vollständigen Übersicht, sondern anhand einzelner Argumentationsbeispiele.

Zur Einschätzung dieses Diskurses über „nordische“ Musik sind einige vorausgehende allgemeine Bemerkungen über den abendländischen Musikdiskurs unerläßlich. Diese sind in der kulturwissenschaftlichen Forschung zwar kaum umstritten wenn es um musikalische Phänomene im europäischen Kontext, besonders des 19. und 20. Jahrhunderts geht, sie sollten aber in diesem Zusammenhang explizit als Vorwissen herangezogen werden.

Zum einen entfaltete die aus dem abendländischen Musikdiskurs nicht wegzudenkende Dichotomie von Kunst- und Volksmusik ihre bis heute anhaltende Wirksamkeit in der Zeit der wissenschaftlichen Entdeckung der Musik und Musikalität des sogenannten „Volkes“ im ausgehenden 18. Jahrhundert. Diese Dichotomie ist selbst wissenschaftlich konstruiert und zu unterschiedlichen Zeiten mit jeweils spezifischen, aber sich verändernden Vorstellungen besetzt worden. Zum anderen lassen sich die europaweiten Nationalisierungsbewegungen im 19. Jahrhundert auch auf musikalische Phänomene bezogen nachweisen, was in der deutschsprachigen Musikwissenschaft für die sogenannte „Kunstmusik“ beispielsweise zu einer Debatte über Funktion oder Substanz des „Nationalen“ in der Musik geführt hat. Namen wie Theodor W. Adorno, Carl Dahlhaus[4], Eva Sedak oder Helga de la Motte-Haber[5] seien hier stellvertretend genannt. Diese „Nationalisierung“ betraf nicht nur die musikalische Form, sondern in hohem Maße außermusikstrukturelle Faktoren wie beispielsweise Männerchöre und deren nationale Codierung über Kleiderordnung, Repertoire und Einbindung in öffentliche Rituale[6]. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, auf die Sakralisierung sogenannter „nationaler Musik“ innerhalb moderner Nationalstaaten hinzuweisen. Diese sakrale Funktion äußerte sich unter anderem in der Umdeutung und Vereinnahmung der gemeinschaftsstiftenden Implikationen gemeinsamen – und, wenn möglich – unisonen Singens.[7] Die Etablierung der – seit über 100 Jahren nahezu feststehenden – in öffentliche Rituale eingebundenen „Nationalhymnen“ kann denn auch – etwas überspitzt – als Versuch gesehen werden, dem „Vater Unser“ ein säkulares Äquivalent entgegenzusetzen.

Auch die Relationen der unterschiedlichen Fachdisziplinen zueinander und die quantitative Über-Präsenz der „Historischen Musikwissenschaften“ gegenüber den „Systematischen“ und „Vergleichenden Musikwissenschaften“ im deutschen Kontext, ist eng mit einer Nationalisierung von Musikvorstellungen und Wissenschaftsdisziplinen im 19. Jahrhundert verknüpft.

 

Das Einbeziehen dieser vier Komplexe 1. der Dichotomie von Kunst- versus Volksmusik, 2. der Nationalisierung, 3. der sakralen Funktion und 4. der Wissenschaftlichkeit bzw. Verwissenschaftlichung von Musik und Kultur ist zur Einschätzung des deutschsprachigen Diskurses über „nordische“ Musik in der Zeit des Nationalsozialismus als Hintergrundfolie unerläßlich.

 

Das 19. Jahrhundert als Stichwortgeber

 

Was den vierten Aspekt, also die wissenschaftliche Beschäftigung mit musikalischen Phänomenen betrifft, so erhielt der „Norden“ unter anderem erst durch die Idee der „Volksmusik“ als „Nationalmusik“ Einlaß in deutschsprachige Musikreflektionen.[8] Der Rekurs auf die griechische Antike sowie auf Italien und Frankreich als musikalische Vorbilder wurde seit Ende des 18. Jahrhunderts durch diesen Bezugspunkt ergänzt, und in den zugänglichen Texten bereits nicht allein geographisch, sondern gleichzeitig kulturell konnotiert. Im Literatendiskurs in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts war das „Nordische“, im Gegensatz zu den 1820er Jahren, noch nicht einheitlich positiv besetzt, was sich an den beiden folgenden Passagen exemplarisch verdeutlichen lässt. Die erste von Johann Georg Sulzer – in Biographien mal als „Philosoph und Pädagoge in Berlin“, mal als „Schweizer Aufklärer und Kulturphilosoph“ bezeichnet –, der in seiner Allgemeinen Theorie der Schönen Künste in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der griechischen gegenüber der neuentdeckten „nordischen“ Mythologie aus inhaltlichen und nicht zuletzt moralischen Erwägungen den Vortritt gab:

 

Seit kurzem haben einige, die das große Ansehen Klopstoks für sich haben, angefangen, die Nationalmythologie der nordischen Völker zu brauchen. Meines Erachtens war der Einfall nicht glüklich. Was für ein erstaunlicher Unterschied zwischen der Mythologie der Griechen, die so voll Annehmlichkeit, so voll reizender Bilder ist, und der armen Mythologie der Celten? Wer wird das Elysium mit allen seinen Lieblichkeiten gegen Valhalla, wo die Seligen aus den Hirnschädeln ihrer Feinde Bier und Branntwein trinken, vertauschen können?[9]

 

Und die zweite von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie aus den 1820er Jahren das „Nordische“ positiv besetzte und es eindeutig zu dem von ihm negativ besetzten „Jüdischen“ abgrenzte

 

Das Jüdische hat von Anfang dies Selbstgefühl der Nichtigkeit ausgemacht - ein Elend, Niederträchtigkeit, Nichts, das Leben und Bewußtsein hat. …Was das Christentum davon unterscheidet ist, daß für die Christen diese intelligible Welt zugleich diese unmittelbare sinnliche Wahrheit eines gemeinen Geschehens hatte …. Aber diese neue Welt hat darum auch von einem neuen Menschengeschlechte aufgenommen werden müssen, von Barbaren - denn der Barbaren ist es, das Geistige auf eine sinnliche Weise zu nehmen: nordischen Barbaren - denn nur das nordische Insichsein ist das unmittelbare Prinzip dieses neuen Weltbewußtseins.[10]

 

Ausgehend von dieser Passage bedarf es nur eines kleinen semantischen Schrittes, um zu einer der favorisierten Argumentationen im deutschsprachigen Musikdiskurs der 1930er und 1940er Jahre zu gelangen. Diese Tatsache fordert dazu auf, die Kontextualisierung unterschiedlichster Phänomene durch ein Anschlußwissen an Vordiskurse zu ergänzen. Die Begrenzung auf einen spezifischen Zeitraum wie beispielsweise 1933-1945 bleibt dann wissenschaftliches Hilfsmittel für die thematische Ausrichtung und nicht Selbstzweck.

 

Konstruktion und Rezeption „nordischer“ Musik

 

Das Etablieren und Anführen von mehr oder weniger aussagekräftigen Gegensätzen, wie sie Hegel in dieser Passage für seine Argumentation nutzte, diente auch über 100 Jahre später der Ein- und Abgrenzung.

Wie beispielsweise bei Jón Leifs, der in den Mitteilungen für Islandfreunde 1932 auf Deutsch veröffentlichte, und – einem geographischen Topoi mehr als einem religiösen verpflichtet – dieses Hegelsche „Insichsein“ auf die zeitgenössische Kunstproduktion adaptierte:

 

Vielleicht kommt man der Sache näher, wenn man sagt: Der Süden schafft seine Kunst nach außen und der Norden nach innen. Deshalb hängt die Kunst des Nordländers immer eng mit dem Menschlichen, Seelischen zusammen, während der Südländer die Kunst an sich unabhängig vom Menschlichen, Irdischen schaffen kann.[11]

 

Diese Gegensatzpaare bestanden nicht nur aus geographisch-klimatischen Zuschreibungen, wie Nord versus Süd, sondern auch aus vermeintlich charakterlichen Eigenschaften, wie stark versus schwach bzw. „verweichlicht“, unsentimental versus sentimental oder männlich versus weiblich usw. Die Betonung und Definition eines jeweils „Anderen“ und die Abgrenzung davon bildete einen integralen Bestandteil der wissenschaftlichen Argumentation. Annette Kreutziger-Herr verwies 1998 auf dieses „Andere“ in einer – wenn auch relativierten – Weise, wie sie für viele Argumentationen in den 1930er Jahren als fast idealtypisch angenommen werden können:

 

Der Ausblick ist oft nicht der befreite Blick auf eine Bereicherung des bereits Dagewesenen durch das Andere, das Neue, das Fremde. Der Ausblick ist häufig auch keine Begrüßung des Anderen. Der Ausblick verheißt vielmehr, sei es auf theoretischer, auf ästhetischer, auf praktischer oder auf existentieller Ebene keine friedliche Koexistenz, sondern ein Kräftemessen, ein Ringen um Dominanz.[12]

 

Die Ausdrücke „Kräftemessen“ und „Ringen um Dominanz“ suggerieren hier eine vorausgesetzte Gleichberechtigung von Partnern bzw. Gegnern unter gerechten Voraussetzungen. Das Verneinen einer liberalen Grundhaltung wie dieser war dem nationalsozialistischen Diskurs über das „Nordische“ jedoch immanent. Deutlich wird dies beispielsweise an Reinhold Zimmermanns Aufsatz mit dem Titel „Nordische Volksmusik“ von 1935. Der in Aachen lebende „Chordirigent, Schulleiter und Musikschriftsteller“ zeigte sich frühzeitig als „linientreu“[13]. Seine in diesem Aufsatz publizierte NS-Propaganda bestand aus einer Aneinanderreihung unterschiedlichster Gegensatzpaare, mit deren Hilfe die implizierte Unterscheidung zwischen „deutscher“ und deren Äquivalent „nordischer“ Volksmusik auf der einen und „fremdrassischer“ Musik auf der anderen Seite befestigt werden sollte:

 

Aber eines müssen wir noch tun. Und dies Eine ist: fragen, welche völkische Prägung das Nordische in Deutschland gefunden habe. (…) Im allgemeinen werden wir sagen dürfen, daß das Nordische in Deutschland gemäßigter geworden ist: Landschaft, Schicksale, Umwelteinflüsse (Christentum!) haben ihm bei uns viel von seiner ursprünglichen Größe, Herbheit, Unerbitterlichkeit, Letztgültigkeit, Wildheit, Ausgelassenheit, Schalkhaftigkeit, verschwiegenen Innigkeit usw. genommen.

Andererseits wird man mit demselben Rechte behaupten können, daß überall da, wo einem in deutscher Volkskunst, insbesondere in deutscher Volksmusik statt echten Gefühles verschwommene Gefühligkeit, statt herb-männlicher weich-weichliche Haltung, statt Einfachheit Schwülstigkeit und Übertriebenheit, statt Herzlichkeit Zudringlichkeit, statt kraftvoller Sinnlichkeit krankhafte Schwüle, statt Gedankenklarheit ziellose Tüfteligkeit begegnet, wir es nicht mit nordischer Volksmusik zu tun haben. Hier sind jedesmal fremdrassige „Elemente“ am Werk.[14]

 

Gerade „Nordisches“ und „nordische“ Musik definierten sich also nicht überwiegend ex negativo, wie das Ruth-Maria Gleißner für die nationalsozialistische Kunstauffassung im Allgemeinen in ihrer Dissertation über die Sibelius-Rezeption annimmt[15].

 

Kann und sollte das, was für heutige Ohren unerträglich und unwissenschaftlich klingt, wie die eben angeführte Passage, aber überhaupt diskurs- im Sinne von textanalytisch untersucht werden? Sollte nicht verstärkt auf den Metadiskurs eingegangen werden, um eine zu große Nähe zu vermeiden und nicht einer Scheinobjektivität zu erliegen? Die Antwort ist zweigeteilt: Einerseits ist die Analyse zeitgenössischen Quellenmaterials, wie es in Form unterschiedlicher Textsorten vorhanden ist, eine unerläßliche Voraussetzung der wissenschaftlichen Beschäftigung. Andererseits gilt es, die Beachtung und Behandlung dieser Quellen in einem etwaigen Metadiskurs mit in die Untersuchung einzubeziehen. Für etliche Themen bildet dann gerade die Tatsache der wissenschaftlichen Marginalisierung den eigentlichen Erkenntnisgewinn und Ausgangspunkt für weitere Überlegungen. Das gilt in hohem Maße auch für das „Nordische“ in der deutschsprachigen Wissenschaft.

 

Was das zeitgenössische Quellenmaterial betrifft, boten sich im nationalsozialistischen Deutschland verschiedene Zeitschriften zur Veröffentlichung von systemkonformen, musikrelevanten Fragestellungen an. Einige wiesen bereits im Titel darauf hin, daß spezifisch „Nordisches“ gefordert und gefördert wurde[16]. Die unterschiedlichen Autoren – es handelte sich fast ausschließlich um Männer – haben sich außerdem in mehr oder minder starker Weise mit einer spezifisch „nordischen“ Musik, deren Definition und Abgrenzung von anderer beispielsweise westischer, ostischer, dinarischer oder südischer Musik – in Anlehnung an die propagierte Nazi- und Rassenterminologie – auseinandergesetzt.

Auf unterschiedliche Weise wurde das „Nordische“ zu einem Teil des deutschsprachigen und nationalsozialistischen Musikdiskurses.

 

Nordeuropäisch = nordisch

 

Das Einschätzen von Musikern bzw. Komponisten aus einem nordeuropäischen Land als spezifisch „nordisch“ war eine Möglichkeit, die selbstgesetzte positive Konnotation des Nordischen zu bestätigen. Dazu zählten beispielsweise Namen wie Edvard Grieg, Nils W. Gade, Kurt Atterberg[17],  Ture Rangström und Jean Sibelius[18], aber auch heutzutage unbekanntere Komponisten, wie Christian Sinding oder Yrjö Kilpinen, dessen (Orchester-)Lieder sowohl in verschiedenen Radioprogrammen, als auch bei Konzertveranstaltungen in Deutschland aufgeführt wurden[19].

Eine weitere Möglichkeit bot sich in der positiven Rezeption nordeuropäischer Musiker, die in Deutschland tätig waren. Dies konnte verschiedene Ebenen betreffen.

So lieferte die Zeitschrift der „Norden“ regelmäßige Übersichten über Musikveranstaltungen, die unter Beteiligung nordeuropäischer Künstler in Deutschland stattfanden. Darunter beispielsweise Konzerte zugunsten des Winterhilfswerks, wie 1937 oder auch noch 1943 wo

 

das Sachsen-Kontor im Vereinshaus zu Dresden ein Sibelius-Konzert zugunsten des Kriegshilfswerks für das Deutsche Rote Kreuz [gab]. Als Gastdirigent stand Generalintendant Eric Westberg aus Stockholm am Pult der Dresdner Philharmoniker, die ein erlesenes Programm darboten, das ganz dem Schaffen des großen finnischen Komponisten gewidmet war, für den Eric Westberg als Freund und Vertrauter der berufene Mittler ist.[20]

 

Dieser Aspekt der Einbindung von Künstlern aus den nordeuropäischen Ländern in eine nationalsozialistische Musikpraxis als Resultat einer generellen Aufwertung des „Nordischen“ ist bisher noch wenig untersucht. So finden beispielsweise die Deutschlandaufenthalte des Volksmusikforschers Karl Sporr in den Jahren 1936-1943 in der Veröffentlichung Folkmusik i Leksand, Djura och Siljansnäs, herausgegeben 1999 von Svensk Visarkiv, eine lediglich knappe und unkommentierte Beachtung[21].

Daß Sporr zusammen mit seiner Frau, der österreichischen Koloratursopranistin Julie geborene Moser in diesem Zeitraum mit der Ausnahme 1941 jährlich auf Einladung der Nordischen Gesellschaft – einer Organisation zur verdeckten nationalsozialistischen Propaganda – auf mehreren Vortragsreisen durch Deutschland und da hauptsächlich durch die sogenannten Kontore der Nordischen Gesellschaft unterwegs war, scheint im schwedischen Volksmusik-Diskurs als unproblematisch zu gelten. Ein Hinweis aus der Zeitschrift Der Norden zeigt jedoch, in welchen musikpolitischen Rahmen diese Vorträge eingebunden waren:

 

Unter dem Motto „Volk im Norden tanzt und spielt“ sprachen, sangen und musizierten das schwedische Künstlerehepaar Karl und Julie Sporr unter Begleitung des schwedischen Pianisten Anton Moser für das Ostpreußen-Kontor in Heydekrug, Tilsit, Schloßberg und Ortelsburg; an die Veranstaltung in Tilsit schloß sich ein Empfang der führenden Persönlichkeiten der Stadt an. – Die gleichen Darbietungen der schwedischen Künstler vermittelten das Danzig-, Pommern- und Kärnten-Kontor, zum Teil ebenfalls in mehreren Städten ihrer Kontorbereiche.[22]

 

Diese Vereinnahmung des Volksmusikdiskurses für eine nationalsozialistische Musikauffassung wurde ergänzt in der positiven Rezeption spezifischer Opernsängerinnen und -sänger. Auch hierbei sollte die Argumentation über Angleichung und Vereinnahmung des „Nordischen“ funktionieren. Unter dem Titel „Nanny Larsén-Todsen und ihre Kunst“, schrieb Walter Eggert 1935 bezogen auf ihre Interpretation Wagnerscher Werke:

 

Es ist für jeden Einsichtigen klar, daß ein fast übermenschliches Maß von künstlerischer Begabung, daß eine Unsumme von Kleinarbeit und Hingabe nötig gewesen sein muß, um diesen Deutschen Stil, wie ihn das Bayreuther Kunstwerk darstellt, in der Vollendung zu beherrschen. War es die intuitive, instinktsichere Verbundenheit der Nordländerin mit dem germanischen Kunstwerk?[23]

Die abschließende rhetorische Frage verweist auf das nationalsozialistische Erklärungsmuster der „Artverwandtschaft“. Den nordeuropäischen Ländern und eben auch deren Musikerinnen und Musikern war es freigestellt, „urdeutsche“ = „nordische“ Werke, wie die Wagners zu interpretieren. Das ihnen entgegengebrachte Zutrauen - was die musikalische Interpretation betraf - war zu einem Großteil von einer vorausgehenden positiven Besetzung des „Nordischen“ bestimmt.

 

„Deutsche Musik“ = „nordische Musik“

 

Eine weitere Möglichkeit bot sich in der Umdeutung der spezifischen Rolle und Bedeutung bereits etablierter deutscher Musik bzw. deutscher Komponisten. Deren Verortung in zeitgenössischen Musikdebatten verlief unter anderem mit Hilfe der Zuschreibung „nordischer“ Eigenschaften. Fritz Metzler[24] leitete 1934 das „Nordische“ an Bach aus der musikstrukturellen Analyse isländischer Volkslieder her:

 

 … nachdem die Melodie in einigen Tritonussprüngen von h nach f gestiegen ist …, rutschen die sechs letzten „Teufel“ herab, immer im Abstand von ausgerechnet einem Halbton …, sie führen uns also eine richtige chromatische Schleiferei vor. … Doch eine wahre Höllenkakophonie! Wenigstens für den, der nur „Hirte deiner Schafe “ singen kann. Und doch führt von hier aus ein gerader Weg zu Bach’s [sic!] Chromatik. Man betrachte den Schluß des Präludiums Nr. 6 in d-moll im Wohltemperierten Klavier. … Wir sehen an diesem Beispiel, wie sehr Bachs Chromatik nordisch bestimmt ist. Sie ist Linienchromatik im Gegensatz zur mehrfarbigen Flächenchromatik anderer Rassen.[25]

 

Da die Versuche, das „Nordische“ eindeutig in der musikalischen Form nachzuweisen, allein nicht überzeugten – wie sich auch andere „nationale“ Zuschreibungen letztlich nicht in der musikalischen Substanz, sondern in Funktion und Kontext nachweisen lassen – versuchten andere Autoren, „nordische“ Eigenschaften außerhalb des eigentlichen Kompositionsprozesses besonders hervorzuheben und zu definieren. So beispielsweise Karl Grunsky[26], der in einem Aufsatz von 1933 zwar zwei musikalische Gattungen – „Quartett“ und „Symphonie“ – als „die deutschen Gattungen nordischer Innerlichkeit“[27] benannte, das „Nordische“ an Richard Wagner und dessen Kompositionen aber – ganz im Sinne zeitgenössischer Musikpropaganda – nicht musikalisch, sondern eher als positive Charaktereigenschaft und transzendentes Erhöhungsmoment umschrieb. So könne etwa

 

der Ausgleich, den das tragische Bewußtsein sucht, … nur in einem Ewigen gefunden werden, in einem Jenseits, das aber nicht etwa Lohn und Strafe verheißt, sondern dem Diesseits den tiefsten Sinn gibt. (…) Die Verbundenheit mit dem Jenseits scheint uns …, als Grundzug Wagnerscher Gedankenwelt, echt nordisch zu sein.[28]

 

Bezogen auf die Arbeitsweise beim Komponieren definierte Grunsky „das vorausdenkend Planmäßige einer solchen Arbeit, die doch überall von der Eingebung ausging“ als „echt nordisch“, wie er überhaupt die Leistung Richard Wagners darauf zurückführte, daß „der Reichtum dieses langen Lebens von einer Willenskraft umspannt, zusammengehalten, durchdrungen wird, wie sie als Künstler nur der nordische Mensch aufbringen konnte“[29].

 

Das „Nordische“ war im nationalsozialistischen Diskurs grundsätzlich positiv konnotiert. Diesbezüglich unterschied es sich nicht von der romantischen Vorstellung des unberührten und ursprünglichen Nordens, wie er im 19. Jahrhundert etabliert worden war. Wie Birgitta Almgren feststellt

 

war der Norden Projektionsfläche deutscher Sehnsüchte nach Stärke, Schönheit und Reinheit geworden. Die Begriffe deutsch, germanisch und nordisch wurden allmählich als positiv konnotierte semantisch unbestimmte Synonyme als eine Art fließende Signifikanten im NS-Diskurs gebraucht.[30]

 

Das „Nordische“ übernahm im kunstmusikalischen Diskurs - vergleichbar mit „dem Deutschen“ – unter anderem die Aufgabe der Erhöhung oder die Absprechung künstlerischer Fähigkeiten.

Dies war im deutschsprachigen Exil durchaus bekannt, was denn auch zu Artikeln in der Exilpresse führte, die – nicht ohne Schadenfreude – die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit nationalsozialistischer Kunstauffassung aufdeckten. Unter dem Titel „Auch der ‚Nordische’ Brahms ein Nichtarier“ machte Adolf Lercher 1934 bezüglich der Rolle des bis dato gerne vereinnahmten „Klassikers“ auf diesen Umstand aufmerksam:

 

Der schönste Witz der Zeitgeschichte war doch, als im vergangenen Mai das Brahmsfest in Hamburg urplötzlich von der Naziregierung abgesagt wurde, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Grossvater dieses in allen Musikgeschichten als Prototyp des „nordisch-herben deutschen Musikers“ verzeichneten Meisters noch auf den Namen Abrahams hörte und dass die nordisch-friesischen Töne nur wahl- aber nicht artverwandt sind.[31]

 

Einfluß der Rassentheorien

 

Am Beispiel Wilhelm Heinitz, läßt sich der vielleicht wichtigste Aspekt der deutschsprachigen, nationalsozialistischen Konstruktion „nordischer“ Musik in den 1930er und 1940er Jahren verdeutlichen. Einem Aufsatz von Heinitz aus dem Jahre 1938 ist das im Titel verwendete Zitat entnommen. Heinitz erhielt 1933 den Professorentitel und war in der 1934 gegründeten „Forschungsabteilung für Vergleichende Musikwissenschaft“ innerhalb des Phonetischen Laboratoriums an der Universität Hamburg tätig.[32] Ein Aufsatz aus dem Jahre 1938 verweist bereits in der Überschrift „Musik des Nordens“ oder „nordische Musik“? auf die programmatische Ausrichtung seiner Argumentation. Diese dichotomische Gegenüberstellung diente Heinitz nämlich als wissenschaftliche Verpackung für völlig absurde biologistische Verknüpfungen des Kompositionsprozesses mit dem musikalischen Ergebnis. Nicht kulturelle, sondern biologische und rassische Einflüsse entschieden seiner Ansicht nach hauptsächlich über die Frage ob Musik „nordisch“ sei oder nicht:

 

Laß mich hören, wie mich diese Musik faktisch körperlich bewegt, dann will ich dir sagen, durch welchen Wechsel von körperlicher Spannung und Entspannung der Urheber zu dieser Gestaltung gekommen ist und auf welche landschaftlichen, klimatischen und biologischen Bindungen eben diese bestimmte Urheberbewegung hinweist.[33]

 

Gleichzeitig lieferte er seine Definition eines „nordischen Musikers“, der „gerade und stark, keusch, unverblaßt und unsentimental, eigensinnig und eigenwillig …gestalten [wird], wenn er das geben will, was seinem Klima und seiner Landschaft rechtens ist“[34], um im Jahr 1944 dann zu der universalistischen These zu gelangen:

 

So können wir also alle menschlichen Bewegungsergebnisse, alle profanen oder kultisch-kulturellen Werkmanifestationen irgendeiner Zeit je nach dem Ergebnis ihrer „physiologischen Resonanz“… als nordischen oder nicht-nordischen Gepräges bezeichnen.[35]

 

Aus heutiger Sicht ist es vielleicht erfreulich, daß es völlig unproblematisch ist, in Heinitz’ vermeintlich wissenschaftlicher Argumentation logische Brüche aufzuzeigen – und das innerhalb eines Aufsatzes. Er ist – im Gegensatz zu Fritz Metzler – nicht so konsequent, auf die Klimalehre als Argument zugunsten einer rassischen Festschreibung zu verzichten. Das müßte er aber tun, um zumindest die innere Logik seiner Argumentation aufrechtzuerhalten.

Das ausschlaggebende und von anderen Autoren bereits betonte nationalsozialistische Ingredienz der Musikkonstruktion stellt unzweifelhaft die Herleitung der musikalischen Form aus als „rassisch“ bezeichnetem Ursprung dar. An Metzlers Aussage verdeutlicht sich, daß andere als rassische Erklärungsmodelle weder opportun, noch wünschenswert waren:

 

Wer noch etwa glaubt, der Unterschied zwischen steirischen und isländischen Volksliedern könne irgendwie anders als rassisch, vielleicht landschaftlich oder klimatisch begründet werden, der wird an dem tiefgreifenden Unterschied zwischen schwedischen und lappischen Liedern einerseits und an der weitergehenden harmonischen und melodischen Nachbarschaft der lappischen und steirischen Lieder andererseits die völlige Unhaltbarkeit eines solchen Erklärungsversuches erkennen. …Diese lappischen Lieder weichen von den schwedischen (und norwegischen) Volksliedern in jeder Hinsicht so stark ab, daß ein anderer als rassischer Erklärungsversuch dafür überhaupt nicht in Betracht kommen kann.[36]

 

Die Formulierungen der Rassentheoretiker hatten also Einfluß auf den Musikdiskurs, bestimmten ihn aber nicht ausschließlich. Adolf Seifert, promovierter Leiter der Stuttgarter Musikschule des deutschen Volksbildungswerkes und Gaumitarbeiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP Württemberg-Hohenzollern, verwies mit seiner Argumentation von 1940 beispielsweise auf die wissenschaftliche Verfahrensweise der Vereinnahmung und Umdeutung zeitlich weit entfernter und unabhängiger Diskurse in nationalsozialistisches Musikdenken:

 

Dagegen spricht auch die Verwandtschaft der mittelalterlichen Leitern mit dem Tonsystem der Griechen, eines in seiner Kultur ebenfalls ursprünglich stark nordisch bestimmten Volkes. Zwar standen auch die Griechen in einem geistigen Austausch mit dem Orient, doch scheinen nach jüngeren Forschungen zur Blütezeit des griechischen Volkes von ihm eher nordische Geistesgüter an den Orient weitergegeben worden zu sein, als daß es von dort viel empfangen hätte.[37]

 

Der Terminus „nordisch“ wurde also auch im Zusammenhang mit musikalischen Phänomenen für Neudeutungen vereinnahmt, wie er auch selbst Neudeutungen unterlag.

 

Musikpädagogische Einflüsse

 

In diesen Komplex gehört auch der Aspekt der Kanonbildung an deutschen Hochschulen. Am Beispiel der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik[38] läßt sich das verdeutlichen. Von den zwischen 1932-1945 eingereichten Examensarbeiten „zur Staatsprüfung für das künstlerische Lehramt“ setzten sich einige explizit mit „nordischen“ Phänomenen auseinander. Die Arbeit Kurt Brüggemanns von 1935 Nordische Rhytmik. Ein Beitrag zum Problem “Rasse – Kunst – Weltanschauung” in der nationalen Musikerziehung erhielt als einzige der drei hier aufgeführten Arbeiten[39] die Gesamtnote sehr gut. Sie ist gleichzeitig diejenige, die sich einer eindeutig systemkonformen Terminologie bediente, was zur positiven Benotung beigetragen haben dürfte. Seine die Arbeit abschließende Passage sei hier angeführt.

 

Der nordische Mensch strebt in der Kunst mehr nach Rhythmus als nach Symmetrie, mehr nach gesteigertem Ausdruck als nach Harmonie und metrischer Formenstrenge, mehr nach eckiger Wucht als nach sanfter Rundung. Der nordische Mensch kann nur aktiv zur Kunst gelangen. Der geniesserische Dämmerzustand vernichtet seine künstlerischen Kulturwerte (…), Wachheit und gesteigerte Aktivität liessen den nordischen Menschen die Polyphonie erfinden. (…) Mit der Besinnung auf die nordische Wesensart und Leistungsstärke der deutschen Nation steht die heutige und zukünftige nationale Musikerziehung vor der Aufgabe, das Volk auf aktivem Wege zu den dargelegten Wurzeln seiner künstlerischen und kultischen Kraft zurückzuführen.[40]

 

Hier manifestiert sich der nationalsozialistische Mechanismus, mit dem das „Nordische“ zum „Deutschen“ und das „Deutsche“ zum „Nordischen“ erklärt wurde. Das „Nordische“ war eben nicht mehr das exotisch-romantische „Andere“ des 19. Jahrhunderts. Im Gegenteil wurde es mit Hilfe unterschiedlicher Erklärungsmuster zum „Eigenen“ umgedeutet, und verhalf diesem „Eigenen“ sogar zu einer positiv gesteigerten Semantik.

Warum Leonore Birkners Examensarbeit trotz des zeitgenössisch konformen Duktus’ mit einem ungenügend abgelehnt wurde, ist aus heutiger Sicht schwer zu rekapitulieren. Immerhin beendete sie ihre Ausführungen mit eindeutigen Anknüpfungen an die aktuelle musikpolitische Terminologie, indem sie beispielsweise den „alten Liedern aus den Island ‚Sagas’“ und den „alten Balladen in ihrer altkernigen nordischen Haltung“ die Fähigkeit zusprach, der „notwendigen Forderung nach der Rückbesinnung auf die Formkräfte und Gestaltwerte großer, formschöner und wesenhaltiger Vorbilder“[41] entgegen zu kommen. Auch die Literaturliste[42] mit ihren überwiegend aktuellen Titeln[43] kann für diese Benotung nicht ausschlaggebend gewesen sein. Vielmehr scheinen formale Gründe im Vordergrund gestanden zu haben, aber auch – was sich an einer Randbemerkung von Gutachter Rein nachvollziehen läßt – zum Teil eine inhaltliche Inkonsequenz hinsichtlich nationalsozialistisch opportuner Terminologie und Quellenbezüge. So war eine Passage Birkners über die Erfolge Jenny Linds in Europa und Amerika, in der sie darauf hinwies, daß „Meyerbeer in seinem ‚Feldlager in Schlesien’“ für Jenny Lind „die Rolle der Vielka geschrieben“ hat, am Rande mit der Bemerkung bedacht: interessiert uns nicht. Daß hier Rein mit „uns“ nicht nur sich und seine Gutachterkollegen meinte, liegt auf der Hand.

 

Abschließend kann also festgestellt werden, daß das „Nordische“ sowie „nordische Musik“ im deutschsprachigen Diskurs der 1930er Jahre in einem Spannungsverhältnis von Konstruktion, Rekonstruktion und Rezeption steht, das auf weitere wissenschaftliche Beachtung wartet.



[1] Ruth Wodak und Christoph Ludwig (Hg.): Challenges in a Changing World. Issues in Critical Discourse Analysis. Wien: Passagen Verlag, 1999, S. 11.

[2] Ebd.

[3] Rolf Gupta: Grußwort. In: MAGMA2002Berlin. Nordisches Musikfestival. 23. November bis 1. Dezember 2002. Programm. Berlin: Fata Morgana, 2002, S. 2.

[4] Carl Dahlhaus: Die Idee des Nationalismus in der Musik. In: Ders.: Zwischen Romantik und Moderne. Vier Studien zur Musikgeschichte des späteren 19. Jahrhunderts. München: Katzbichler, 1974 (= Berliner musikwissenschaftliche Arbeiten; 7).

[5] Helga de la Motte-Haber (Hg.): Nationaler Stil und Europäische Dimension in der Musik der Jahrhundertwende. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1991.

[6] Dietmar Klenke: Der singende „deutsche Mann“. Gesangvereine und deutsches Nationalbewusstsein von Napoleon bis Hitler. Münster,New York,München und Berlin: Waxmann, 1998.

[7] Vgl. Ursula Geisler: Gesang und nationale Gemeinschaft. Zur kulturellen Konstruktion von schwedischem „folksång“ und deutscher „Nationalhymne“ (= Die kulturelle Konstruktion von Gemeinschaften im Modernisierungsprozeß; 3). Baden-Baden: Nomos, 2001.

[8] In diesem Kontext sei auch an die kompositorische Technik des Zitierens bekannter (Volkslied‑)Melodien und an den großen Erfolg beispielsweise von Ole Bull und Jenny Lind im 19. Jahrhundert erinnert.

[9] Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. III. Leipzig 1787, S. 385.

[10] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie. Bd. III. Leipzig 1982, S. 22. Zitiert nach Franz Martin Wimmer: Rassismus und Kulturphilosophie (= http://www.univie.ac.at/WIGIP/wimmer/1989Rassismus.html). Wien 1989.

[11] Jón Leifs: Nordisches in der Musik. In: Mitteilungen der Islandfreunde 14 (1932:3/4), S. 70.

[12] Annette Kreutziger-Herr: Das Andere. Eine Spurensuche in der Musikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. (= Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft; 15). Ffm u.a.: Peter Lang, 1998, S. 13.

[13] Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat. Ffm: Fischer, 1982, S. 126.

[14] Reinhold Zimmermann: Nordische Volksmusik. In: Die Sonne 12 (1935:12), S. 536.

[15] Ruth-Maria Gleißner: Der unpolitische Komponist als Politikum. Die Rezeption von Jean Sibelius im NS-Staat (= Europäische Hochschulschriften Reihe 36. Musikwissenschaft; 218). Ffm.: Peter Lang, 2002, S. 99: „Somit definierte sich die nationalsozialistische Musik- und Kunstauffassung in erster Linie ex negativo, das heißt aus ihrer Anti-Haltung gegenüber bestimmten Stilrichtungen und Komponisten heraus“.

[16] Die Sonne. Monatsschrift für nordische Weltanschauung und Lebensgestaltung. Leipzig 1.1924-16.1939,4/6. Nordische Welt. Monatsschrift für nordische Überlieferung und Geschichtskenntnis auf rassischer Grundlage. Gesellschaft für Germanische Ur- und Vorgeschichte. Berlin 1933-1937. Der Nordische Aufseher. Monatsschrift der Nordischen Gesellschaft. Lübeck: Coleman, 1934. → Der Norden. Monatsschrift der Nordischen Gesellschaft. Dresden u. Berlin: Limpert, 1935-1944. Rasse. Monatsschrift für den nordischen Gedanken. Hrsg. Im Auftrag des Nordischen Ringes in der Nordischen Gesellschaft. Leipzig, Berlin: Teubner, 1.1934-11.1944,3. Völkische Musikerziehung. Monatsschrift für das Musikerziehungswesen.; Leipzig.; 1.1934, Okt-5.1939, [6.] 1940-[8.]1942, 9. 1943,1-3. Die Musik. Organ des Amtes Musik beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP. Berlin: Hesse 1.1901/02,1(Okt.) – 14.1914/15 = Bd. 1-56, 15.1922/23 – 35.1942/43,6(März). → Musik im Kriege. Organ des Amtes Musik beim Beauftrag­ten des Führers für die Überwachung der Gesamten Geistigen und Weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP. Zugleich amtliche Musikzeitschrift des Amtes Feierabend in der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ und des Amtes Deutsches Volksbildungswerk in der Deutschen Arbeitsfront. Amtliches Mitteilungsblatt des Musikreferats im Kulturamt der Reichsstudentenführung. Hrsg. durch die NSDAP. Berlin-Halensee: Musik im Kriege, 1943-1944. [1.]1943/44,1(Apr./Mai)-11/12(Febr./März), 2.1944,1/2(Apr./Mai)-7/8. Deutsche Musikkultur. Zweimonatsheft für Musikleben und Musikforschung. Hrsg. im Auftrag des Staatlichen Instituts für Deutsche Musikforschung. Kassel: Bärenreiter. 1.1936/37-9.1944,3/4. Musik in Jugend und Volk. Wolfenbüttel, Berlin, Duderstadt: Kallmeyer. 1.1937/38-7.1944,3.

[17] Petra Garberding forscht zur Zeit an der Södertörns Högskola über Kurt Atterberg.

[18] Die jüngste Veröffentlichung zu Jean Sibelius und Nationalsozialismus liegt in Ruth-Maria Gleißners interessanter Dissertation zur deutschen Sibelius-Rezeption vor. Siehe Fußnote ??

[19] Beispiele für Radiosendungen: Lieder von Yrgö (sic!) Kilpinen, Radio Breslau, August 1934. Lieder von Yrjö Kilpinen. Radio Breslau, Februar 1935. Spielmannslieder von Yrjö Kilpinen. Radio Königsberg, Mai 1935(?). Unter der Rubrik „Deutsches im schwedischen Rundfunk“ veröffentlichte Der Norden regelmäßig Hinweise auf schwedische Radiosendungen. So beispielsweise auch zu einem Konzert 1935, bei dem der deutsche Kammersänger Gerhard Hüsch Lieder Yrjö Kilpinens in Göteborg interpretierte: „Das schwedische Rundfunkprogramm enthielt eine beträchtliche Anzahl von deutschen Veranstaltungen und zum Teil auch von rein deutschen Programmen. (…) Im Sinfonie-Konzert aus Göteborg, in dem Gerhard Hüsch mitwirkte, wurde Mozarts Jupiter-Sinfonie zur Aufführung gebracht. Der deutsche Sänger sang altitalienische Lieder und Lieder des Finnen Yrjö Kilpinen.“ In: Der Norden 12 (1935:4), S. 132. Auch eine der Examensarbeiten der Staatlichen Hochschule für Musikerziehung und Kirchenmusik befaßte sich 1940 explizit mit Kilpinen: Wilfriede Lenssen: Das Liederschaffen von Yrjö Kilpinen in der Schule. SAHfM 1940.

[20] Der Norden 20 (1943:5), S. 139.

[21] Folkmusik i Leksand, Djura och Siljansnäs. Uppteckningar av Karl Sporr 1916-47. Inledning och kommentarer av Märta Ramsten. Utgiven av Leksands kommuns kulturförvaltning i samarbete med Svenskt visarkiv (= Leksands  Socken Beskrivning;  11)Leksands kulturnämnd och Märta Ramsten, Svenskt visarkiv 1999, S. 10: ”Under åren 1937-43 företog paret flera konsertresor i Tyskland med bl. a. svensk folkmusik på programmet »Nordische Volksmusik im Wort und Ton«”.

[22] Der Norden 20 (1943:3), S. 82f.

[23] Der Norden 12 (1935:9), S. 297f.

[24] Fritz Metzler promovierte laut Fred K. Prieberg 1938 in Tübingen über „Die Tonalität und melodische Struktur des nordischen Volksliedes“. Vgl. Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat. Ffm: Fischer, 1982, S. 361.

[25] Fritz Metzler: Nordischer und dinarischer Stil im germanischen Volkslied. In: Musik und Volk 2 (1934:1), S. 31f.

[26] Laut Prieberg war Karl Grunsky Musikschriftsteller in Stuttgart. Vgl. Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat. Ffm: Fischer, 1982, S. 58.

[27] Karl Grunsky: Das Nordische bei Richard Wagner. In: Die Sonne 10 (1933:2), S. 59.

[28] Karl Grunsky: Das Nordische bei Richard Wagner. In: Die Sonne 10 (1933:2), S. 58.

[29] Karl Grunsky: Das Nordische bei Richard Wagner. In: Die Sonne 10 (1933:2), S. 61.

[30] Birgitta Almgren: Germanistik und nordische Träume in der Zeit der NS-Diktatur. Wissenschaftliche Integrität oder politische Anpassung? In: Dies. (Hg.): Bilder des Nordens in der Germanistik 1929-1945. Wissenschaftliche Integrität oder politische Anpassung? (= Södertörn Academic Studies; 11). Södertörns Högskola 2002, S. 100.

[31] Adolf Lercher: Verbannte Musik. Verfemte Komponisten und Dirigenten. In: Pariser Tageblatt 2 (1934:62), Sonntags-Beilage, S. 3.

[32] Vgl. Peter Petersen: Musikwissenschaft in Hamburg 1933 bis 1945. In: Eckart Krause, Ludwig Huber und Holger Fischer (Hg.): Hochschulalltag im Dritten Reich. Berlin: Reimer, 1991, S. 625-640.

[33] Wilhelm Heinitz: „Musik des Nordens“ oder „Nordische Musik“? In: Der Norden 15 (1938:8), S. 272.

[34] Wilhelm Heinitz: „Musik des Nordens“ oder „Nordische Musik“? In: Der Norden 15 (1938:8), S. 276.

[35] Wilhelm Heinitz: Musikdenkmale aus dem nordischen Raum. In: Der Norden 21 (1944:7), S. 151.

[36] Fritz Metzler: Nordischer und dinarischer Stil im germanischen Volkslied. In: Musik und Volk 2 (1935:3), S. 98f.

[37] Adolf Seifert: Volkslied und Rasse. Ein Beitrag zur Rassenkunde. Reichenberg und Berlin–Lichterfelde: Ullmann und Vieweg, 1940, S. 19.

[38] Diese wurde am 2.11.1935 in Staatliche Hochschule für Musikerziehung und Kirchenmusik umbenannt.

[39] Leonore Birkner: Das nordische Volks- und Kunstlied. Liedgeschichte und Liedformen der nordischen Länder: Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland. Eine Darstellung in Grundzügen als Voraussetzung für die Behandlung des Stoffes im Musikunterricht an höh. Schulen. Berlin: SAHfM, 1939. Kurt Brüggemann: Nordische Rhytmik. Ein Beitrag zum Problem „Rasse – Kunst – Weltanschauung“ in der nationalen Musikerziehung. Berlin: SAHfM, 1935. Wolfgang Wöllmer: Der Leich als Hochform arischer Kultur und sein Weiterleben in der nordischen bestimmten Musik des Abendlandes. Berlin: SAHfM, 1939. SAHfM steht für „Staatliche Akademische Hochschule für Musik. Künstlerisches Prüfungsamt in Berlin (Sitz: Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung). Prüfungsarbeiten ~1932-1945.“

[40] Kurt Brüggemann: Nordische Rhytmik. Ein Beitrag zum Problem „Rasse – Kunst – Weltanschauung“ in der nationalen Musikerziehung. Berlin: SAHfM, 1935, S. 73.

[41] Leonore Birkner: Das nordische Volks- und Kunstlied. Liedgeschichte und Liedformen der nordischen Länder: Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland. Eine Darstellung in Grundzügen als Voraussetzung für die Behandlung des Stoffes im Musikunterricht an höh. Schulen. Berlin: SAHfM, 1939, S. 91.

[42] Eine separate Literaturliste fehlte in Wolfgang Wöllmers Arbeit beispielsweise völlig, was aber nicht negativ angemerkt wurde.

[43] Beispielsweise Josef Müller-Blattau: Germanisches Erbe in deutscher Tonkunst, 1938. Hans Mersmann: Volkslied und Gegenwart, 1937. Hans Friedrich Blunck: Die nordische Welt. Geschichte, Wesen und Bedeutung der nordischen Völker, 1937. Richard Eichenauer: Musik und Rasse, 1932. L.F. Clauß: Rasse und Seele, 1937. Fritz Metzler: Rassische Grundkräfte im Volkslied. In: Guido Waldmann (Hg.): Rasse und Musik, 1939.